Warum Auroville?
Auroville möchte eine universale Stadt sein, in der Männer und Frauen aller Länder in Frieden und fortschreitender Harmonie leben können, jenseits aller Bekenntnisse, politischen Gesinnung und nationaler Herkunft. Der Zweck Aurovilles ist die Verwirklichung menschlicher Einheit.
Mirra Alfassa, Gründerin Aurovilles
1966 brachte die indische Regierung bei der UNESCO eine Resolution ein, in der sie vorschlug, eine internationale Gemeinschaft mit dem Namen "Auroville" zu gründen, in der Menschen aus verschiedenen Ländern in Harmonie leben und sich in allen Aspekten des Lebens gemeinschaftlich engagieren sollten. Die Generalversammlung der UNESCO verabschiedete diese Resolution einstimmig und forderte ihre Mitgliedsstaaten und Nichtregierungsorganisationen auf, aktiv an der Entwicklung von Auroville teilzunehmen und sie zu fördern. Ausdrücklich genanntes Ziel der Resolution war, Auroville zu einem Ort zu machen, der den materiellen und spirituellen Bedürfnissen des Menschen gleichermaßen gerecht wird.
Die offizielle Gründungsfeier fand am 28. Februar 1968 statt. Rund 5000 Menschen aus der ganzen Welt nahmen daran teil. Jugendliche Vertreter aus 124 Nationen brachten eine Handvoll Erde aus ihren Heimatländern mit und legten sie in eine eigens hierfür angefertigte lotusförmige Urne, um so die menschliche Einheit zu symbolisieren. Dazu wurde Aurovilles Charta vorgelesen:
- Auroville gehört niemandem im Besonderen. Auroville gehört der gesamten Menschheit. Aber um in Auroville zu leben, muss man bereit sein, dem Göttlichen Bewusstsein zu dienen.
- Auroville wird der Ort einer nie endenden Erziehung sein, eines immerwährenden Fortschritts und einer Jugend, die niemals altert.
- Auroville möchte die Brücke sein zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Indem es sich alle äußeren wie inneren Entdeckungen zunutze macht, wird Auroville zukünftigen Realisationen kühn entgegeneilen.
- Auroville wird der Ort materieller und spiritueller Forschung sein, für die lebendige Verkörperung einer menschlichen Einheit.
Die ersten Pioniere in Auroville mussten sich mit extrem harten Bedingungen auseinandersetzen. Sie fanden ein Stück karges, ödes Land vor, das vollkommen unfruchtbar war. Mit Hilfe der Bewohner der umliegenden Dörfer begannen die Aurovilianer die ersten Wohnstätten und Siedlungen zu bauen und das stark erodierte Land wieder zum Leben zu erwecken. Man beschäftigte sich konsequent mit der Aufforstung und errichtete viele hundert Kilometer Wasserrückhaltedämme zum Auffangen und Speichern des Regenwassers. Mehr als zwei Millionen Wald-, Wild- und Obstbäume wurden inzwischen auf mehr als 855 Hektar Land angepflanzt.
Auch in den Bereichen alternative Energien (Biogas, Solar- und Windenergie), Wasseraufbereitung, nachhaltiges Wohnen und Dorfentwicklung hat Auroville viel geleistet. 1997 wurde das Wissenschaftliche Forschungszentrum Center for Scientific Research vom indischen Minister für Alternative Energie als "Beste Nicht-Regierungs-Organisation Indiens im Bereich Erneuerbare Energie" ausgezeichnet. Und 2004 erhielt das aurovilianische Unternehmen AuroRE den sogenannten "Grünen Oscar", den Ashden Award für Nachhaltige Energien – eine Auszeichnung von globaler Bedeutung. Eine Aufstellung über weitere Auszeichnungen finden Sie hier.
Derzeit leben mehr als 3200 Einwohner aus etwa 59 Ländern in Auroville. Neben den vielen sichtbaren Errungenschaften des Stadtprojekts liegt eine der größten Herausforderungen darin, dass verschiedene Individuen und Kulturen in sehr unterschiedlichen Entwicklungsstufen und mit sehr gegensätzlichen Sichtweisen aufeinander stoßen und gemeinsam und gleichberechtigt die Stadt aufbauen wollen. In diesem Prozess heißt es, sich gegenseitig wahrzunehmen, aneinander zu reiben, wechselseitig zu befruchten und bereit zu sein, eigene Positionen "aufzuweichen" — als Vorbereitung für eine Art Wandel oder Transformation des menschlichen Bewusstseins. Und dies geschieht in einem besonderen Feld, das ständig nach Veränderung drängt. Dieses Auroville-Experiment ist ein faszinierendes Wagnis, ein ständiger Prozess, es gibt keine vorgefertigten Rezepte, Formeln oder Regeln für dieses Experiment menschlichen Zusammenlebens.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Auroville, in evolutionären Begriffen, noch sehr jung ist. Der Aurovilianer Alan schrieb zum 40. Geburtstag Aurovilles:
"Wir sind bestenfalls unbeholfene Jugendliche, eine Generation im Übergang, unruhig in der Schwebe zwischen unseren menschlichen Bedürfnissen und unseren Idealen, darum ringend, die kulturelle und psychologische Last von Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden abzuwerfen. Man denke nur daran, wie schwierig es sogar für ein sich liebendes Paar sein kann, sich durch seine Blockaden, Unsicherheiten und fehlenden Wahrnehmungen hindurchzuarbeiten, um eine tiefere Ebene des Verständnisses zu erreichen. Was muss es dann erst für 1800 Menschen aus über 40 verschiedenen Kulturen bedeuten, zur selben Zeit in dieselbe Richtung zu blicken?"
Wenn man Auroville mit all seinen Schwierigkeiten und Herausforderungen von außen betrachtet, könnte man den Eindruck gewinnen, dass dort alle Probleme dieser Welt wie in einem Mikrokosmos vorhanden sind. Alle menschlichen Unzulänglichkeiten, die jeder von uns in sich trägt, treten dort vielleicht besonders stark hervor. Der Unterschied jedoch mag in der Erkenntnis liegen, nicht an Altem festzuhalten oder dieses zu verändern suchen, sondern sich etwas vollkommen Neuem, Unbekanntem zu öffnen.
Der Umweltexperte David R. Browner sagte einmal:
Auroville steht für eines der wagemutigsten und hoffnungsvollsten Modelle, die möglich sind, wenn der menschliche Wille und Geist sich in einer gemeinsamen Handlung einen.